Das Gold liegt auf dem Acker

Das Gold liegt auf dem Acker

F.A.Z. | 09.01.2012
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Exporte von Agrarrohstoffen und die Aufteilung des Agrarmarktes (Infografik: / Der Agrarmarkt wächst weltweit/ FAZ)

Christoph Hein war dort.

Duncan Ball kniet sich, lässt die schwere, nasse Erde durch seine Finger gleiten. "Solch einen Boden finden Sie nur ganz selten in Australien. Er ist gut für vier Ernten im Jahr", sagt der Großbauer. Das Land hier oben rund um den Marktflecken Narrabri, 600 Kilometer nördlich der Metropole Sydney, ist platt wie eine Pfanne. Am Rand erheben sich ein paar Vulkanhügel, in die andere Richtung flaches Land, so weit das Auge reicht, und irgendwann dann die Wüste, der Outback.

Wer hier lebt, muss Einsamkeit ertragen können. Dennoch tritt Ball gewandt auf. Er ist beredt, charmant, er könnte auch Banker sein. Vielleicht färbt der Kontakt ab: Denn der 36-Jährige hat in den vergangenen Monaten mindestens so viel Zeit in Vorstandszimmern in Sydney, Hongkong oder Singapur verbracht wie auf dem heimischen Acker.
Gefragte Fachleute

Alle wollen, was Ball hat. Seinen Boden. Vor allem aber sein Wissen. Denn der Bauer aus dem Osten Australiens arbeitet an einem neuen Modell der Vermarktung von Ackerland und Farmen. Das fungiert unter dem Namen Laguna Bay Pastoral Company und liegt im Trend. Von Sydney bis Hamburg, von Singapurs Bankenviertel bis zur Wall Street feilen die Herren des Geldes an Anlagemodellen. Ihr Kern: Ackerland. Kühe. Oder Lämmer. Weil sie davon in der Regel keine Ahnung haben, brauchen sie Fachleute. So kommt es, dass Männer wie Duncan Ball oder Detlef Schön nun hoch im Kurs stehen.

"Theoretisch kann ich für meine Arbeit jeden Preis verlangen", sagt etwa Schön. Der Oldenburger hat ein bewegtes Leben hinter sich: Landwirtschaft in Göttingen und Weihenstephan studiert, einen eigenen Hof nach der Wende in Vorpommern hochgezogen, für Getreidehändler Cargill spekuliert und von Rotterdam aus für den niederländischen Agrohändler Nidera Weizen eingekauft. Dann trat 2007 das Hamburger Fondshaus Aquila Capital an ihn heran: "Die suchten händeringend jemanden, der für sie das Agroinvestment aufbaut." Schön stand bereit und legt nun gerade den vierten "Agrar-Invest" für Aquila auf - diesmal für Lammfleisch.

Lehman hat die Welt verändert

Der Anfang war holprig: "Wir liefen genau in die Lehman-Krise hinein. Das war die Zeit, als sich Investoren kaum noch unter dem Tisch hervortrauten." Dann aber wurde aus dem Fiasko eine Chance: Die wuchernde Weltfinanzkrise mit niedrigen Zinsen, einer Geldschwemme und der Suche nach Sicherheit ließ Anleger auf dem Boden der Tatsachen landen - im Wortsinn.

"Seit Lehman brauche ich überhaupt nicht mehr vom Schreibtisch aufzustehen, um Investoren vom Sinn eines Engagements in Ackerland zu überzeugen", sagt Schön. "Vor Lehman hätten mich die Banker doch hinausgeworfen, wäre ich ihnen mit einer einstelligen Prognose gekommen." 4 bis 6 Prozent Gewinn seien mit der Investition in Bauernland "glaubwürdig zu erreichen", sagt Schön. "Natürlich kann auch ich eine Excel-Tabelle auf 20 Prozent aufblasen, aber da geht es höchstens um die Savanne bei Timbuktu. Tiefhängende Früchte gibt es sonst allenfalls noch in Australien."
Investorisch unterrepräsentiert

Glaubt man den Aposteln der Agrarinvestition, liegt nichts näher, als Euro oder Dollar in Boden oder Vierbeiner zu pumpen. "Was ist der Unterschied zwischen Investitionen in Container und in Schafe?", fragt Schön. Und antwortet selbst: "Container kann ich nachbauen, wenn die Nachfrage steigt. Lämmer nicht. Die brauchen Mutterschafe, Weideland, Futter."

Wer über die Schafe hinausblickt, erkennt drei langfristige Trends: Nur 0,3 Prozent des weltweiten Ackerlandes liegt bislang in Händen von Investoren, nur 0,4 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung der Börsen widmet sich der Landwirtschaft. Und das, obwohl Ackerbau und Viehzucht immerhin 1,8 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Industrieländer beitragen.

China nimmt zu

Die beste Nachricht aus Sicht des Investorenlagers aber kommt noch: "Weil die Weltbevölkerung bis 2020 auf knapp acht Milliarden Menschen zunehmen wird, sinkt der Anteil der Äcker und Felder von fast 0,5 Hektar pro Kopf auf nur noch 0,2 Hektar", rechnet die Investmentbank Morgan Stanley vor. Der Abbau der Armut auf der einen, das Anwachsen der Mittelschicht auf der anderen Seite führt zur Nachfrage nach immer mehr proteinhaltiger Nahrung. Die Produktion von einem Kilo Rindfleisch aber erfordert mehr als zehn Kilogramm Getreide.

Das Lieblingsbeispiel der Analysten geht so: 2009 gab der Durchschnittschinese umgerechnet 426 Dollar für Nahrung aus. "Average Joe", der Durchschnittsamerikaner, kam auf den zehnfachen Wert. Wollten die Chinesen eines Tages genauso viele Burger oder Steaks in sich hineinstopfen wie die Amerikaner, stiegen die Preise für Landwirtschaftsgüter rasant.

Schon jetzt haben sich die Ausgaben für Lebensmittel der Chinesen, die in Städten leben, in 20 Jahre verzehnfacht. Steigt dann noch die Nachfrage nach Biosprit, geht die Rechnung erst so richtig auf. "Es ist ganz einfach: Die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern wird auf Jahrzehnte größer sein als das Angebot", sagt Philippe de Lapérouse, Geschäftsführer der Investitionsberater von High Quest Partners auf der Konferenz "Global AgInvesting" am Finanzstandort Singapur.

Längst kauft China Ackerland in Kambodscha oder Afrika, Chinesen durchkämmen Australien auf der Suche nach günstigen Bauernhöfen oder Weingütern. "Wir sehen hier ständig Teams der Chinesen, die nach Übernahmekandidaten suchen", sagt Ball.

Erbstreits geben Vorlagen

Übernahmekandidaten gibt es natürlich. Der Erbstreit, der auch vor dem friedlichen Landleben rund um Narrabri nicht haltmacht, zerlegt die Höfe. "Wir haben hier eine Größe von rund 2500 Hektar je Hof. Es müssten aber mindestens 6000 Hektar sein, um wirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu können", sagt Ball.

Zugleich drehen die Banken den Geldhahn für viele der kleineren Farmer zu. "Im Monat erhalten wir rund 60 Angebote für die Beteiligung an Bauernhöfen oder den Landkauf. Eines erscheint mir dann davon so interessant, dass ich es näher prüfe", sagt Schön. Auch sein Wettbewerber im fernen Australien hat keinen Mangel an interessanten Angeboten: "Ich habe über Jahre viele Farmen gesehen, die enorme Chancen boten. Aber mir fehlte das Geld, etwas daraus zu machen", meint Ball.

Das soll sich ändern mit der Gründung von Laguna Bay. Die Anteilseigner gehen professionell vor. Sie wollen die Bauern auf ihren Höfen lassen, sie aber mit Rat, Tat und Geld dazu bringen, eine Rendite von mehr als 10 Prozent einzufahren. "Wir sind nur an den besten zehn Prozent der Landwirte interessiert", stellt Ball klar. Er spielt seinen Heimvorteil aus: "Wir kennen unsere Erde, wir kennen unser Land. Derzeit denken wir gar nicht daran, in der Ukraine oder in Kanada zu investieren."

Jim Rogers hat wohl schon genug

Damit auch die Werbung stimmt, hat sich Laguna Bay gleich das wichtigste Gesicht der Branche gekauft: Jim Rogers. Seit Jahren gilt der Amerikaner mit Wohnsitz in Singapur als der Prediger der Scholle, der Papst der Rohstoffanlagen. Rogers produziert markige Sprüche auf Knopfdruck: "Wenn die Preise erst durch die Decke schießen, werden es die Bauern sein, die das Sagen haben."

Glücklich, wer auf Rogers hörte; glücklich, wer heute seinen Acker hat. Rogers selbst freilich scheint schon genug Hektar zu besitzen - denn finanziell engagiert ist er bei Laguna Bay nicht. Das Geld dafür hätte er wohl: Mehr als 5 Millionen Australische Dollar (3,96 Millionen Euro) sollte mitbringen, wer bei Ball anklopft. "Ich hoffe, Rogers steigt noch eines Tages ein", sagt der Australier. Dann könnte er wohl auch vom Preissprung für Ackerland profitieren. "Natürlich setzen auch wir darauf, dass langfristig die Preise auch für den Boden anziehen."

Sorge vor Anti-Spekulanten-Sentiment

Die Argumente klingen überzeugend. Und dennoch haben alle Angst davor, die Rote Karte gezeigt zu bekommen: Ball und Schön betonen, dass sie keinesfalls zu den Spekulanten gezählt werden wollen. Denn der Ansatz von Aquila wie Laguna Bay sei, die Produktivität der Höfe zu steigern. Damit werden mehr Agrargüter auf den Markt gebracht. "Wir zählen nicht zu den Bösen, die davon profitieren, dass in Somalia die Menschen verhungern", bringt Schön seine Weltsicht auf den Punkt.

Was eigentlich könnte die so sichere Rechnung der Investoren gefährden? De Lapérouse nennt eine ganze Reihe von Risiken: "Die Chemieindustrie könnte viel bessere Saaten entwickeln, die die Erträge je Hektar durch die Decke schießen ließen. Mikroorganismen könnten zur Produktion von Biosprit herangezogen werden. Oder aber die Schwellenländer wachsen plötzlich viel langsamer als erwartet." Das alles aber sei in der kommenden Dekade unwahrscheinlich. Der größte Engpass bliebe der Mangel an Fachleuten, sagt Schön: "Nicht jeder Banker, der mal seinen Rasen mäht, kann Landwirtschaft."
  •   FAZ
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