Österreich soll Landraub in Sierra Leone finanzieren

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Schwere Vorwürfe gegen das Bioenergie-Projekt in Sierra Leone (Reuters)
Heute | 11.04.2013

Schwere Vorwürfe
Österreich soll Landraub in Sierra Leone finanzieren


Nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erheben schwere Vorwürfe gegen Österreich. Indirekt werde von der Österreichischen Entwicklungsbank (OeEB), ein Unternehmen der Republik Österreich, ein Projekt finanziert, das Landraub (Landgrabbing) in Sierra Leone betreibe.

Um das zur Herstellung von Agrotreibstoffen notwendige Zuckerrohr anzubauen pachte die Schweizer Firma Addax Bioenergie riesige Landflächen zu Dumping-Preisen. Die Bevölkerung des westafrikanischen Staates profitiere davon nur sehr marginal. Im Gegenteil: Die Nahrungsmittelsicherheit, ja sogar das Überleben der Bauern sei nicht mehr gegeben bzw. gesichert.

"80 Prozent des Gewinns durch das Projekt geht an den Betreiber Addax", sagt Yvan Maillard Ardenti von der Schweizer Hilfsorganisation "Brot für alle". Die lokale Bevölkerung profitiere derzeit nur bedingt. Denn Versprechen, die Addax bei Abschluss des Landpachtvertrages mit den lokalen Vertreten gemacht hatte, wurden bisher großteils nicht eingehalten. Zu diesem Schluss kommt auch eine unabhängige Evaluierung.

12 Dollar für ein Hektar Land
Kritisiert wird darin, dass weder langfristige Arbeitsplätze, noch Schulen oder Gesundheitszentren für die Dorfbewohner geschaffen worden seien. Versprechungen, die bei Vertragsabschluss von Addax gemacht wurden und aufgrund derer die Landbesitzer erst zustimmten, das von ihnen bestellte Land zu verpachten, erzählt Maillard Ardenti. Der Preis für das gekaufte oder gepachtete Land ist sehr gering: Pro Jahr und Hektar werden zwölf US-Dollar gezahlt.

Die Verträge wurden auf 50 Jahre - mit Verlängerungsoption auf erneute 21 Jahre - abgeschlossen. Die Möglichkeiten zum Ausstieg sind begrenzt. Eine Klage können die Vertragsparteien nur in London bei der internationalen Handelskammer einbringen. Für die zu 70 Prozent in Armut lebenden sierra-leonischen Bevölkerung ein Ding der Unmöglichkeit.
"Keine informierte Zustimmung"  

Grundsätzlich habe es "keine informierte Zustimmung" der Bevölkerung zum Projekt gegeben, so Maillard Ardenti. Soll heißen: Sie wurde nicht richtig informiert und unabhängig beraten, sondern lediglich von Addax-Anwälten. Zudem ortet die Schweizer NGO eine Gefährdung der Nahrungsmittelsicherheit der Betroffenen, deren neue Landflächen kleiner seien als zuvor. Einzig das Versprechen, Straßen zu bauen, sei von Addax eingelöst worden. "Weil sie die selbst brauchen, um auf die Felder zu gelangen", meint der Schweizer. Auch seien vereinzelt Arbeitsplätze geschaffen worden, jedoch nur saisonale. Der Nutzen der Fremdinvestitionen für die Landesbevölkerung bleibt seiner Ansicht nach deshalb mehr als fragwürdig.

Die Verwicklung internationaler Geber, wie eben auch der OeEB, ist einigermaßen kompliziert: Seit Juni 2010 kooperiert die OeEB mit dem Emerging Africa Infrastructure Fund (EAIF), die Kreditlinie beträgt zehn Millionen Euro. Seither wird über den EAIF auch das Projekt von Addax finanziert. Und auch die Austria Development Agency (ADA), die staatliche Agentur für Entwicklungszusammenarbeit, ist indirekt von den Vorwürfen betroffen, denn der EAIF selbst ist im Eigentum der Private Infrastructure Development Group (PIDG), die wiederum von diversen Geberorganisationen, darunter die ADA, im Jahr 2002 gegründet worden war.

Man nehme die Vorwürfe ernst
Addax hat die Vorwürfe in der Vergangenheit immer wieder zurückgewiesen. Seitens der OeEB hieß es, dass man froh sei, wenn "von außen Fragen aufgeworfen werden". Diese würden jedenfalls an den EAIF weitergegeben. Das Monitoring der einzelnen obliege jedoch dem Fonds selbst, die Bank stelle nur den Kreditrahmen zur Verfügung. Auch die ADA erklärte, dass man die Vorwürfe ernst nehme und "natürlich" Interesse daran habe, diese aufzuklären. "Brot für die alle" und die österreichische Partnerorganisation FIAN (Netzwerk für das Recht sich zu ernähren, Food First Information and Action Network) jedenfalls fordern von Österreich eine unabhängige Evaluierung des Projektes bzw. ein Moratorium als mögliche Konsequenz.

Die Hilfsorganisationen sehen grundsätzlich aber auch die Regierung in der sierra-leonischen Hauptstadt Freetown in der Verantwortung. Denn diese würde günstige Verträge mit internationalen Investoren wie Addax "pushen", weil sie darin ein erhebliches Entwicklungspotenzial sieht. Günstig seien diese Verträge aber nur für die Geldgeber, für die Entwicklung des Landes sei dies nicht zuträglich, betont Maillard Ardenti.

"Augenauswischerei"
Dass das Projekt zum Anbau von Biosprit kürzlich vom Rundtisch für Nachhaltige Biotreibstoffe (Roundtable for Sustainable Biofuels RSB) als erstes seiner Art in Afrika zertifiziert wurde, stößt Brot für alle und dem sierra-leonischen Leonische Netzwerk für Recht auf Nahrung (SILNORF) sauer auf. Dabei werde lediglich der Ausstoß von Treibhausgasen berücksichtigt, andere Umweltaspekte, wie zum Beispiel Wasser- und Bodenverschmutzung, aber ignoriert. Biotreibstoffe seien nicht die Lösung für die steigende globale Nachfrage nach Energie, diese als nachhaltig zu bezeichnen sei "Augenauswischerei".

In die gleiche Kerbe schlägt der Globalisierungskritiker und frühere UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler. In seinem aktuellen Buch "Wir lassen sie verhungern" bezeichnet er die Vorgehensweise von Addax in Sierra Leone als "charakteristisch für die meisten Landkäufe der Geier des 'Grünen Goldes'". Er unterstütze deshalb den Vorwurf des Landgrabbings, so Ziegler. "Wer auf einem Planeten, auf dem alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren verhungert, Anbauflächen für Nahrung ihrem Zweck entfremdet und Lebensmittel als Kraftstoff verbrennt, begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", so der Schweizer.
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